Dieser Schritt

dieser Schritt

Ich stehe auf einem Bein, abwechselnd so, als wartete ich auf etwas.

Wenn ich schnell wechsle, sieht es aus, als würde ich hüpfen. Wenn ich langsamer werde, schleicht so eine Ungeduld in mir hoch, und wenn ich sehr langsam von einem Bein aufs andere stehe, ruft ein innerer Impuls: Geh!

Geh endlich los! Trau dich!
Schnell wechsle ich das Tempo, gebe der Ungeduld ihren Platz und ein wohliges Gefühl sagt mir: Alle, alle, alle Anderen, ja alles Andere ist Schuld, dass ich diesen Schritt nicht mache.

Dieser Schritt
über die Schwelle
in mein Leben
das ich gestalten soll.

Natürlich kann ich niemandem die Schuld für mein Zögern in die Schuhe schieben. Und das ist einfach ärgerlich!
Darum …
schnell von einem Bein aufs andere hüpfen, gute Laune verbreiten, mir nichts anmerken lassen, weil ich Angst habe vor dem nächsten Schritt.

Dieser Schritt
über die Schwelle
in mein eigenes Leben
das ich gestalten muss.

Diese Hüpferei ist doch lächerlich, sie ist unecht, ich mache mir etwas vor.
Ich bleibe still stehen. Schaue mich um. Es fehlt doch nur der eine Schritt.

Dieser Schritt
über die Schwelle
in mein ureigenes Leben hinein
das ich gestalten möchte!

Ich spüre einen Windhauch. Ist er aussen? Ist er innen? Oder sind es gar Flügel? Meine eigenen Flügel?

Sie umhüllen mich, machen mir Mut, verleihen mir Leichtigkeit und ich schaue mich um.

Wo bin ich eigentlich?

Ich spüre hinter mir die Fülle meiner gelebten Lebensjahre. Lauter Samen, die…
wenn ich nach vorne schaue, in einem Farbendurcheinanderwunder erblühen.

Da platzt es aus mir heraus, ganz laut und deutlich, nein stimmt nicht, ja, ich gebe es zu, es krächzt zuerst wie ein Rabe. Ich werde lauter und klarer, denn es ist ein Wort, das sich befreit und mich mitreisst.

DANKE! Du mein Leben!

Und schon habe ich es getan:

Diesen Schritt
über die Schwelle
in mein sattes Leben hinein,
das zu gestalten
nur mir zusteht.

Ja, ich will!

Abschied

Abschied

Was kommt heraus, wenn zuerst der Titel sich meldet, ich aber noch keine Ahnung habe, was diese Überschrift verdient?

Seit Tagen schon taucht dieses Wort in mir auf und verunsichert mich.

Was soll das heissen? Wer oder was verabschiedet sich von mir? Oder von wem oder von was?

Oder ist es ein Wort, das ich aussprechen werde, sollte, muss?

Dazu kommt, es ist das erste Mal, dass ich mit einem Text beginne, bevor ich ein Bild dafür ausgewählt habe.

Jetzt aber ist das Bild gefunden und nun bin ich gespannt, was für Worte sich mir zeigen werden. Du auch?

 

Ich folge dem Faden mit den Augen und verliere schon bald die Spur. Ist sie gerissen die zarte Linie, die sich im Kreis bewegt? Oder hat sie sich vertrauensvoll an eine andere gelehnt, um zusammen mit ihr ein Bild zu erschaffen?

Ich schaue genau hin. Ich will die Spur wieder aufnehmen, aber je angestrengter ich suche, desto weniger finde ich den Anschluss.

Was soll das? Was soll das Ganze?
Was hat es für einen Sinn einer Linie zu folgen?

Wegschauen! Los!
Laut falsche Töne singend in die Luft schmettern!
Ich will!
Ich will!
Ich will!
gut sein
schön sein
reif sein
ich will genial sein! Ich will!

Schattenboxend Polka tanzen

Da!!!
Ein Knall.
Jetzt ist der Faden gerissen.
Die Enden fliegen weg. Fort. Sie sind ins Unendliche abgehauen.

Atmen.

Sanft klingt es von weit her, kommt immer näher und

fliesst einfach durch mich hindurch und klingt und zieht weiter.
Durch mich hindurch.
Ich kann’s nicht festhalten.
Und es erfüllt mich trotzdem.
Es klingt immer wieder von Neuem und geht weiter, es hört nie, nie, nie auf.

Es ist Zeit, mich zu verabschieden: vom Wollen, von der Illusion etwas zu haben im Aussen, etwas zu sein, das ich gar nicht bin.

Ganz beklangt schaue ich auf mein Bild.

Es ist Zeit, mich zu begrüssen, mit allem was mich ausmacht.

Es ist Zeit, mit anderen Fäden zusammen Bilder zu gestalten.

Da ist etwas

da ist etwas

da ist etwas
es rumort
es gibt Ton an
es will sich zeigen
und will doch nicht
es ist da

ganz deutlich

Hat Kraft eine Form?
Wie sieht die Form der Form aus?
Ist sie da?

Sie will gesehen werden,
doch wie soll man sie sehen, wenn sie gar nicht ist?

Doch! Da ist etwas, und ich weiss es ganz genau, weil ich es spüre.
Eine namenlose Kraft,
die auch grosse Verletzlichkeit ist,
die gar nicht ist,
weil sie unsichtbar ist.

Doch, doch! Da ist etwas!

es liegt im Dunkeln verborgen
es liegt im Dunkeln geborgen
und dort will es
mit allen Sinnen erkannt werden

Unmöglich!

Es ist Winter, ich schaue ins Land und ich weiss, da ist etwas. Noch ohne Form, mit ganz viel Kraft.

stilllauschen

lauschatmen

Ist es mein Glück?

 

Wandel

Wandel

 

windel wandel wundel
ich denk‘ ich bin gespundelt

aufgerollt dicht an dicht
such‘ ich den faden
der zum wandel führt

das was weh tut will die wahrheit wissen
will die schönheit schatten wahren

weiter immer weiter auf dem lebensfaden tanzend

warum so schwer
warum so hart

wer bin ich wirklich
wo führt das hin

wind komm wandle wunden

lass mich tanzen frei
nicht mehr gebunden auf der spindel
die vor langer zeit mich aufgenommen und beschützt

ein tuch will jetzt gewoben werden
mit allem allem
wie ich bin

Stilles Grau

Herz

 

……… es ist, als würde ich’s begreifen, ja anfassen, das Glück des Wortes.

Eine Stimme, ist sie aussen? Ist sie innen? Verrät mir ihr Geheimnis mit ihren Flügeln.
Selten still und doch eng am Körper, dort wo darunter das Herz den Lebensrhythmus schlägt.

Ein Ort? Ein Raum? Ein Gefühl? Die Liebe?

Der Wind, die Sonne und die Nacht, sie tragen mich fort wie Blütenblätter, die in den Himmel und auf die Erde tanzen. Leise, bis die Farben verblassen, hüten sie die Erinnerung.

Und dann, in der stillen grauen Pracht, erwacht der Traum, der wahr wird.

Die Alte

Die Alte

Das alte alte Wissen erhebt sich als Gewitter im tiefen Himmel.

Gerade strahlte noch heller Sonnenschein und brachte die Spiele der Täuschung, der Sehnsucht, der Freude und der Liebe ans Tageslicht.

Ist sie eine Spielverderberin?

Ich stütze mich auf den grossen Reisigbesen, mit dem ich eben erst noch schwungvoll Wege und Plätze vor meinem Haus wischte. Ich freute mich über den Rhythmus, das Kratzen auf dem Boden, das wie Musik in meinem Tun erklang.

Ich schaue in den Himmel. Ich will sie sehen, ich will ihr in die Augen schauen. Ich will die Tiefe des Blitzes und des Donners spüren, auf dass ich erkennen möge.

Dieses uralte Wissen lässt mich den Besen wieder am Stiel packen und schnell, schnell weiterwischen. Nicht oberflächlich und furchtsam, nein!

Voller Kraft mit dem Wunsch mich von der Alten erfassen zu lassen.

Eigentlich ist mein Tun sinnlos, denn der Wind hat längst alle meine Haufen zerzaust. Und da sind auch schon die ersten Regentropfen. Doch ich gebe nicht auf. Ich will wissen mit Leib und Seele.

Ich halte inne, sie ist da. Lässt Bäume biegen und unsere Herzen rasen. Sie bringt alles durcheinander. Meine fein gepützelte Ordnung ist ihr egal. Sie will zum Kern, denn der hält jedem Sturm mit Leichtigkeit stand.

Der Himmel und die Erde im wilden Liebestanz…..  schenken uns unzählige Kinder.

Eines davon ist der erste Sonnenstrahl auf die frisch gefegte Seele.

Mauschel

Muschel

Siehst du es?

Hörst du es?

Es rauscht.

Um meine Ohren.

Was das wohl ist?

 

Jetzt hat’s grad aufgehört.

Immer, wenn ich hinhöre, wird es still.
Also denke ich schnell etwas, am besten laut:
Wie geht es dir? Läuft der Laden? Bist du………

Da! Da ist es wieder. Ein Rauschen wie in einer Muschel.

 

Ach nein, schon wieder weg.

Also weiter:
Bist du glücklich in deiner Muschel? Was? Das findest du eine blöde Frage? Ist das wichtig? Ich will ja nur laut denken, damit ich das Rauschen um mich herum orten kann.

Ach, jetzt hast du mich unterbrochen. Sei still, sonst höre ich nichts!

Was sagst du? Ich hätte dich etwas gefragt?
Nein, ich wollte keine Antwort, ich wollte nur……………  da ist es wieder!

 

Es ist nah und doch so fern. So wie wenn etwas zwischen mir und dem Rauschen wäre.

 

Was sagst du? Ich solle nicht fragen, wenn ich keine Antwort möchte?

Also langsam wird es mir zu anstrengend. Da höre ich etwas, gehe mit der Sprache der Spur nach, und dann werde ich noch kritisiert. Was? Ich jammere? Das auch noch? Jetzt ist es genug.

Ich komme mal unter meiner Haube hervor, schaue mir in die Augen ohne auszuweichen.

Oh! Da bläst ein Frühlingswind um meine Ohren! War das eng unter meiner Hülle. Und erst die eintönigen Gespräche. Ich konnte mir schon gar nicht mehr zuhören.

Aber jetzt bin ich da! Noch ein wenig zerknittert, aber ich spüre schon, wie da etwas aus meinem Kopf spriesst.

Sind es Blumen? Gedanken? Antennen?

Genau! Ich bin auf Empfang und sende dir schon mal liebe Grüsse.

Mich nimmt es wunder, wie du dein Leben erlebst und ich verspreche dir:

Ich höre dir zu.

 

Formlos

Formlos

Alles ist gleichzeitig.

Nun weiss ich, wie es sich anfühlt erfüllt zu sein, aber alle mir üblichen Transportmittel, dies zum Ausdruck zu bringen, greifen nicht mehr.

Ich finde keine Worte. Und wenn, dann klingen sie für meine Ohren flach.
Ich finde kein Bild. Ja, vielleicht die Farbe, aber die Form dazu überzeugt mich überhaupt nicht.
Der Lehm ist mir zu kalt und der Faden findet sich höchstens in ein paar linkischen Maschen einer Socke wieder.

Was soll es also sein, um zu beweisen, dass ich im Fluss des Lebens bin? Womit kann ich angeben? Wo ist mein geniales Resultat?

Ah, vielleicht habe ich ja nur einen Stau, einen Wirkstau. Und darum keine Wirkung……. im Aussen.

Das wäre schlichtweg gelogen. Da ist überhaupt kein Stau. Es funkelt, braust und saust, es schnattert die Stille und klingt leise die Fülle mir Bewegungen in den Alltag, die partout in keine Form gebracht werden wollen.

Da bin ich nun, verdrehe die Augen und seufze. Wie findet man Frieden mit seiner Formlosigkeit?

Frieden.

Auf einmal werde ich sehr grosszügig. Ich ermutige mich zur Freigiebigkeit. Ich bewundere meine Ausdauer, furchtlos mein Wohlgefühl nicht in eine unspassende Form zu quetschen.

Sondern voller Leidenschaft mein von Leben erfülltes Sein in die Welt hinaus zu blinzeln.

Abenteuer

Herbst

Wer sich mit dem Holunderbaum befreundet, muss sich auf Wundersames gefasst machen.

Da sitze ich unbekümmert auf dem extra bemalten Brett unter dem Holunder und lasse mich von seiner Kraft leiten. Hinauf ins Geäst zu den reifen Früchten. Meine Gedanken und Gefühle nehmen mich mit in andere Welten. Verweilen unter dem grünen Blätterdach, ganz, ganz lange verweilen. Tagträumen, bis die Blätter einzeln winken.

Der rauhe Stamm an meinem Rücken holt mich immer wieder in die Gegenwart zurück und schickt mich in den Sommer hinein, ihn zu lieben, ihn zu leben ganz und gar.

Ich spüre wie sich zart und fein der ganze Baum im Sommerwind bewegt. Genau so sind auch die Impulse, die ich vom Holunderweilen erhalte. Ich lasse sie nicht nur als Lüftchen verstreichen, sondern suche so oft wie möglich nach einer Umsetzung. Zum Beispiel gemächliches Stricken mit einem Seidenfaden bei dreissig Grad!

Früh beginnt der Holunder seine Blätter zu verlieren. Unaufhaltsam fallen sie zu Boden und ich werde widerspenstig. Nein! Es ist noch nicht die Zeit, mich der Tiefe zu nähern!

Keine Chance. Wilde Träume, schlaflose Nächte, das Wecken von schlafenden Hunden, die irgendwann heulen, als wären sie Wölfe. Die Zeit des Versteckens im Rudel will hinterfragt werden. Wo ist die Leitwölfin meines Lebens?

Ja, ich sag euch, tief und immer tiefer ging die Reise zu den Wurzeln. Schonungslos liess mich Frau Holle meinen Seidenfaden stricken. Bis zum Erkennen alter Zöpfe, die nebst der fruchtbaren Ernte auch abgeschnitten werden wollten.

Unterdessen ist es Herbst geworden. Der Holunder zeigt sein nacktes Ästegewirr und gibt mir freie Sicht in den kalten, blauen Herbsthimmel. Er erscheint mir so unendlich, dass er mich ganz ruhig unruhig macht. Nie hätte ich gedacht, dass ein Bild vor drei Jahren gemalt so viel erklärt.

Im Moment habe ich genug von diesem Grundeln. Ich sitze an der Sonne etwas abseits des Hollebaumes und lasse mich vom goldenen Licht erfüllen. Meine Augen sind geschlossen. Geniessen und atmen. Geniessen und nicht extra atmen. Geniessen und einfach mal so frei zu sein, wie es nur geht.

Doch kann ich es einfach nicht lassen, ich blinzle zum Holunder hinüber und schmunzle. Lust auf Hoch- und Tiefflug, scheint er mich zu fragen?

Das Leben ist ein echtes Abenteuer und ich bin mittendrin.

Holunder

Holunder

Hey, du!

Lange nichts mehr gehört. Wie geht es dir? Was hast du die ganze Zeit gemacht? Gearbeitet? Gefeiert? Viel gelesen und gelacht? Nachgedacht und geweint? Oder etwa gelaunt, so wie ich?

Kennst du die Geschichte vom starken Wanja, der sieben Jahre auf dem Kachelofen lag, sich nur von Sonnenblumenkernen ernährte und erklärt hat, er komme erst wieder vom Ofen herunter, wenn er mit den Füssen das Dach abheben könne? Er hat es geschafft! Er hat durchgehalten, obwohl ihn alle ausgelacht haben.

Oder diese andere Geschichte von der Maus, die Frederik heisst, der im Herbst nur Sonnenstrahlen, Farben, Klänge und Düfte gesammelt hat, während seine Freunde fleissig den Wintervorrat in die Maushölen getragen haben. Sie waren gar nicht erfreut über Frederik, weil er „nichts“ tat und sie schufteten so fleissig. Und im Winter dann lebte auch er von diesen Vorräten. Aber als der Winter fast vorbei war, war alles aufgefressen und da begann Frederik von den Farben, den Klängen und den Düften zu erzählen. Die Mäuseschar vergass beim Zuhören den Hunger, ja sie merkten nicht einmal, dass es unterdessen Frühling geworden war.

Warum ich euch das erzähle?

Ich sass die ganze letzte Zeit unter dem Holunderbaum in unserem Garten. Ja genau! Ich sah, wie aus dem kahlen Baum kleine winzige Blätter ganz leise das Licht suchten und wenig später der Frost alles wieder fortfegte. Ich bibberte und wartete mit dem Baum geduldig, bis die Sonne wieder wärmte und das Spriessen von vorne beginnen konnte. Ich kann dir sagen, ich habe tief eingeatmet, als der Baum Anlauf holte, und erleichtert ausgeatmet, als es wieder grünte. Was für ein Glück das war!

Nun sind die weissen Sternendolden geerntet oder verblüht, der Duft hat mich ganz und gar eingehüllt und ………… er hat mich eingeladen zu bleiben und hautnah zu erleben, wie aus den weissen Sternen langsam eine dunkelrote Zauberkraft heranreift.

Darum bleibe ich sitzen, ich kann dieser Einladung einfach nicht widerstehen.

So kann es geschehen, dass der Wind Klänge zu dir trägt, die nach Holunder riechen. Das sind Grüsse vom Zauberbaum und von mir, die dich in deiner Arbeit innehalten lassen, damit du durchatmen kannst. Und vielleicht zaubern sie dir ein leises Schmunzeln ins Gesicht.

Ich bin daran Kräfte zu sammeln, um mein begrenzendes Dach abzuheben und die Farben, Düfte und Klänge zu vernehmen, und, wenn es etwas zu erzählen gibt, dir davon zu berichten. Bis dahin laune ich weiter unter dem Holunderschattendach………

Sei herzhaft gegrüsst!
Iris