ganz leicht

ganz leicht

Ich habe fliegen gelernt.

Eigentlich ist es ganz leicht. Die Arme seitlich ausbreiten und mit Auf- und Abbewegungen spüren, wie es einem langsam auf die Zehenspitzen hebt. Das Becken wird immer weiter und die Magengegend irgendwie mulmig. Der Atem ist kurz, denn es ist ja ungewohnt in die Luft aufzusteigen und schon entsteht  eine Mischung aus Furcht und Glück. Wie von selber öffnet sich der Mund, die Nasenflügel beben und die Augenbrauen werden nach oben gezogen, weil sich die Augenfenster weiten.

Und in dem Moment, wo sich ein lauter Jauchzer aus der Kehle befreit, flattern die Haare schon lustig im Wind. Und dann ……..
…….kommt das unbeschreibliche Gefühl des Abhebens.

Das Kleid schimmert in der Sonne, ich fühle mich schön. Der Hut bietet dem Gesicht Schatten und alles entspannt sich. Genüsslich legt sich der Kopf in den Nacken, denn der Blick in das unendliche Blau des unendlich weiten Himmels ist atemberaubend.

Es gibt nichts zu tun und nichts zu sehen und doch ist alles da. Es fliegt und fliegt und fliegt und fliegt.

Ich habe fliegen gelernt und spüre mein Leben in meinen Knochen. Für einmal ganz entspannt im Liegestuhl im Sommergarten.

Ei ei ei …

Eieiei

Langsam, langsam schäle ich mich aus meinem Ei.

Lange habe ich darin gewohnt, mir mein Leben eingerichtet. Es war schön darin. Ungern verlasse ich das Bekannte.

Keine Angst! Ich werfe nicht alle über den Haufen und lasse Liebgewonnenes hinter mir, nein, nein.

Ich glaube es geht eher um die harte Schale, ganz nah um mich herum.
Mein Herz, meine Kraft, mein Leben wollen sich ausdehnen.

Ich atme tief ein und ganz laut wieder aus. Ich stosse sanft mit dem Kopf durch den Riss in meiner Schale. Oh! Wie hell ist es da draussen!
Meine Füsse spüren den harten Rand, meine Arme und Hände verschaffen sich kräftig Platz.

Ich bewege mich in alle Richtungen, ich tanze, ich stampfe, ich drehe mich im Kreis, fliege wie ein Propeller.

Es kracht. Lauter kleine Stücke fliegen durch die Luft und fallen wie Sternschnuppen auf die Erde.

Ich sehe den weiten Himmel über mir, die starke Erde unter mir. Ich spüre das Feuer in mir, und der Wind weist mir die Richtung.

Einmal mehr fühle ich mich wie neu geboren. Ich suche meinen Weg und er-finde ihn immer wieder neu.

Ich lebe!

Vogelfrau

Vogelfrau

Vogelfrau bin ich.

Eingepackt in Schichten, die mir Sicherheit geben, schaffe ich im Alltag. Ja, Sicherheit ist mir wichtig. Wenn das Drumherum stimmt, kann ich mich entfalten.

Nur, solche Situationen gibt es nicht so oft. Es regnet und stürmt um mich herum. Oder die Sonne fordert mich auf, den Schatten zu suchen oder ihr standzuhalten.

In meinen Schichten kenne ich mich aus, darum fühle ich mich dort sicher, falls es draussen nicht stimmt. In dieser Weite lebt mein ganzes Universum. Ich gehe durch die Stadt, wandere übers Land, rede mit Mensch und Tier, bin in Stille mit der Pflanzenwelt – und immer, wirklich immer habe ich alles dabei, was mich ausmacht.
Ich tausche einfach die Schichten gegeneinander aus, und schon bin ich passend zu meiner Umgebung.

Chamäleon!

Chamäleon!

Chamäleon!

Wer sagt das? Wer ruft da? Ach, ich will es gar nicht wissen. Sollen sie rufen, mich auslachen, mir Anpassung vorwerfen oder gar „Fahne im Wind!“ zurufen. Ist mir voll egal!

Ich weiss nämlich, wer ich bin.
Ich kann laut lachen – weil i c h es lustig finde.
Ich kann still sein – weil i c h es wichtig finde.
Ich kann zuhören – weil es m i c h interessiert.
Ich kann mitfühlen – weil i c h mein Gegenüber spüre.
Ich kann mitdenken – weil i c h auch Weisheit in mir habe.
Ich kann mittanzen – weil i c h es liebe wild zu sein….
und ich kann noch viel mehr….

Ich kann alleine sein – weil alle Schichten zusammen mir meine Leere ermöglichen.

Ich bin eine Vogelfrau und ich bin frei!

Aber heute?

Feder

„Schnee von gestern“, sagte die Elster und breitete ihre Flügel aus, stiess mit ihren dünnen Vogelbeinen vom Boden ab und flog davon.

„Was meinte sie wohl?“ dachte die Maus. „Sie ist doch sonst so gesprächig, aber heute … ?“

Sie hatten eine Abmachung. Die Elster brachte ihr Nüsse aus der Umgebung, und die Maus grub allerhand Essbares aus der Erde. Da der Winter noch nicht da war, blühte der Handel. Und meistens erzählte  die Elster auch das Neueste von nah und fern. Aber heute …?

Heute war die Elster wortkarg. Ihre schwarzen Augen blitzten nicht wie sonst. Auch flatterte sie nicht mit ihrem schwarz-weiss-blauen Federkleid, um zu zeigen, wie schön sie war.

Am nächsten Tag kam die Elster wieder zu der Maus, ohne Nuss, traurig und matt.

„Was hast du?“, fragte die Maus.
„Ich weiss nicht, wozu ich nützlich bin“, antwortete die Elster.
„Aber du bringst mir doch jeden Tag Nüsse!“
„Das reicht doch nicht! Ich möchte so hoch fliegen wie der Milan! Ich möchte so farbig sein wie der Eichelhäher! Ich möchte so lustig sein wie die Kohlmeise und ich möchte mich manchmal verkriechen so wie du.“

„Oh, das ist wirklich traurig. Da hat es meine Freundin tausendmal besser als du!“
„Echt? Wieso? Erzähl!“

„Wenn ich hier auf meinem Erdhügel sitze, sehe ich sie schon von weitem mit ihrem breitgefächerten Schwanz und den Fingerflügeln. Ich erkenne sie sofort und brauche mich nicht zu fürchten. Dann schenkt sie mir eine Nuss und beginnt lustig von den Farben in der Welt zu erzählen.
Ich habe sie sehr gern, weisst du, und ich freue mich jeden Tag auf ihren Besuch.
Und noch etwas: Baumnüsse sind für mich zu gross zum Knacken, aber ich sage es ihr nicht, weil ich es immer so gemütlich finde hier mit ihr hinter dem versteckten Erdhügel zu plaudern.“

Lange sitzen Elster und Maus beim Erdhügel und schauen in die Weite ……… der Landschaft ………. in ihnen drin.

Da breitet die Elster ihr wunderbares Gefieder aus und lässt ihre Augen listig aufleuchten, fliegt davon, um wenig später wieder zu kommen. Im Schnabel eine halbe Nuss. Kurz darauf holt sie auch noch die andere Hälfte. Zusammen klauben sie die Frucht heraus und fressen sie  genüsslich.

„Danke, Maus, du bist ein echter Freund! Gerne teile ich mit dir meine Nüsse“, jubelte die Elster und flog glücklich kreischend davon.

„Bis morgen!“

 

Unsichtbar

die frau

Ich bin da. Ich nehme wahr.
Da klingt etwas! Hallo! Ist da jemand?

Wie gerne würde ich mit dem Unsichtbaren sprechen. Fragen stellen und noch lieber zuhören.

Haaalloo! Was immer da tönt, ich höre zu. Wie geht die Geschichte?

Es war einmal eine Frau. Sie wollte zuhören, aber sie traute sich nicht. Jedesmal, wenn es ganz klar zu klingen anfing, hörte sie nur noch auf ihr Geplapper im Kopf, nistete sich dort wohlig ein, denn dort fühlte sie sich zu Hause. Bis der Lärm im Kopf immer lauter wurde. Sie versuchte mit aller Anstrengung da rauszukommen, um die klaren Klänge wieder zu hören.
Und so ging es Tag für Tag, Jahr aus Jahr ein, hin und her.

Eines Nachts stand sie da, im Traum, im Dunkeln, atmete und horchte – nicht. Weder auf ihren Traum, noch auf ihren Wecker, noch auf das Getöse innerhalb ihres Körpers, noch auf die Stille der Nacht.

Sie ahnte. Da war etwas. Weit, weit weg. Und es kam immer näher. Lautlos. Im Flug ein magischer Tanz. Ein Hauch. Ein Schrei! Ein endlos langer Schrei. Ein Weckruf!

Die Frau steht da und sie nimmt wahr.
Da ruft etwas. Nicht draussen, tief in ihr drin. Ganz weit weg und doch so nah. Unsichtbar und voller Urkraft.

Ich beginne zu verstehen – tief bewegt vom gedankenlosen Wissen.